Vom 10. bis 16. Dezember 2019 veranstaltete die INTAMT-Akademie vier Workshops als Teil des DISEMEX+East Projekts zur Promotion der beruflichen Inklusion von Menschen mit Behinderung in vier Ländern: in Armenien (Jerewan), Georgien (Tiflis), Russland (Jekaterinburg) und in der Ukraine (Kyiw). Das Projekt wird im Rahmen des Programms zum Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland vom Auswärtigen Amt kofinanziert. Das Ziel der Workshops war es Best Practice Beispiele aus Deutschland vorzustellen.

Die Workshops wurden auf vier am Projekt beteiligten Länder verteilt und erfolgten als eigenständige Veranstaltungen, wie in Jerewan (Armenien) und Tiflis (Georgien) oder aber als jeweils Teil größerer Foren, welche von verschiedenen Partnern der INTAMT-Akademie in Jekaterinburg (Russland) und Kyiw (Ukraine) durchgeführt wurden.

 

Die Workshop-Moderation übernahmen Dr. Wolfgang Degner, Vorstand des Sozialen Förderwerks e.V. Chemnitz, Frau Iris Hones, Сo-Founder der Online Stellenbörse für Menschen mit Behinderungen „Capjob“, und Yuri Nikitin, Geschäftsführer der INTAMT.

Dr. Wolfgang Degner stellte den Veranstaltungsteilnehmern verschiedene Beschäftigungsmodelle für Menschen mit diversen Behinderungen sowohl in entsprechenden Werkstätten als auch auf dem ersten Arbeitsmarkt vor. Darüber hinaus machte er mithilfe der Praxisbeispiele aktuelle Ansätze anschaulich, die Mitarbeiter seiner Organisation in ihrer alltäglichen Tätigkeit verwenden.

Eine besondere Aufmerksamkeit fand die Tätigkeit des Integrationsfachdienstes (IFD) – einer Fachberatungsstelle, die unter anderem (schwer-) behinderte Schülerinnen und Schüler von der Schule ins Arbeitsleben begleitet. Im Rahmen eines ein bis drei Jahre andauernden, individuellen Fachprogramms erhalten die Jugendlichen die Möglichkeit, ihr Potenzial zu entdecken, fachliche Unterstützung und Beratung zu erhalten, ein Berufspraktikum zu absolvieren, um nachfolgend abhängig von den Ergebnissen Berufstätigkeit aufzunehmen oder ihre berufliche Ausbildung in einer ausgewählten Qualifikation fortzusetzen.

Für diejenigen, die aufgrund ihrer besonderen gesundheitlichen Lage keinen Zugang zum Programm für berufliche Sekundarausbildung haben, besteht die Möglichkeit individueller betrieblicher Qualifizierung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes im Rahmen des Programms unterstützter Beschäftigung (supported Employment).

Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, verschiedene Faktoren darzustellen, welche für eine erfolgreiche Integration von Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt notwendig sind, wie z.B. die enge Kooperation mit Unternehmen, feste Ansprechpartner, offene Kommunikation über alle auftretenden Fragen, die Einbeziehung der Kollegen und die Anwesenheit eines Mentors.

Ein wichtiger Beitrag zur Eingliederung ist eine richtige Gestaltung des Arbeitsplatzes, d.h. Anpassung an die Fähigkeiten und Potenziale eines Mitarbeiters mit Behinderungen. Auf diese Weise erfolgt Anpassung der Arbeit an den Menschen und nicht umgekehrt!

Abschließend erläuterte Herr Degner neuere Formen der beruflichen Förderung für Menschen mit Behinderungen, wie beispielsweise das Talent-PASS-Programm, welches darauf abzielt, die Potenziale jener Menschen mit Behinderungen, die bereits in einem Arbeitsverhältnis stehen, aber keinen Berufsabschluss haben, aufzudecken, ihre Kompetenzen anzuerkennen und sie weiterzubilden. Das Ziel dieses Programms ist Kompetenzen zu erfassen, die nicht durch Ausbildung oder Lehre, sondern informell (im Arbeitsleben) erworben wurden, sie vergleichbar mit Berufsbildern aus gesetzlich geregelten Berufen zu machen und Teile aus einem Berufsbild (Module, Kompetenzbausteine) zu zertifizieren.

Iris Hones berichtete über ihren Erfahrungen bei der Gründung und Aufbau des ersten in Deutschland Jobportals für Menschen mit Behinderung. Das Capjob-Team verfolgt die Mission, offene Stellen des ersten Arbeitsmarktes für Menschen mit Behinderung zugänglich zu machen. Deshalb sind alle Stellenangebote, die auf dem Jobportal veröffentlicht werden, ausschließlich auf Menschen mit Behinderung jeglicher Art fokussiert. Um das Angebot solcher Stellenausschreibungen ständig zu erweitern, arbeiten die Mitarbeiter des Portals gezielt und systematisch daran, potenzielle Arbeitgeber zu finden und für das Jobportal zu gewinnen.

Als Best Practice Beispiele wurden die Erfolgsgeschichten der Unternehmen vorgestellt, die Stellenausschreibungen für Menschen mit Behinderung auf dem Capjob-Portal veröffentlichten. Dazu gehören namhafte IT-Unternehmen wie SAP und Auticon, die Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen einstellen; das Internationale Autovermietungsunternehmen „Rent-a-car“, welches Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen eine Chance zur beruflichen Integration bietet, sowie das Unternehmen „Discovering Hands Service GmbH“, welches blinde und sehbehinderte Frauen in taktilen Brustkrebs-Diagnosetechniken ausbildet und sie anschließend als Medizinisch-Taktile Untersucherinnen einstellt.

Yuri Nikitin machte die Workshop-Teilnehmer mit den allgemeinen Voraussetzungen für Beschäftigung von Menschen mit Behinderung und gesetzlichen Regelungen in Deutschland vertraut, beleuchtete die Rolle der unterschiedlichen öffentlichen, gemeinnützigen und privaten Einrichtungen, die auf dem Gebiet Arbeitsvermittlung und Integration von Menschen mit Behinderungen tätig sind und berichtete über die Ergebnisse und Erkenntnisse des Projekts DISEMEX, im Laufe dessen Best Practice Beispiele der Arbeitsvermittlung von Menschen mit Behinderung  aus Europa und der Türkei erhoben wurden.

Der erste Workshop wurde in Kyiw auf Einladung der Generalsekretärin der Nationalen Versammlung der Behinderten der Ukraine (NAIA) Victoria Nazarenko abgehalten. Die Veranstaltung wurde im Rahmen des Nationalen Forums der sozialen Unternehmen von Behindertenverbänden „Soziales Unternehmertum in der Ukraine – Paradigmenwechsel“ organisiert und fand am 10. Dezember im Konferenzsaal des Hotels „Ukraine“ statt. Die Unterstützung bei der Veranstaltung des Forums leisteten u.a. der Behindertenbeauftragte des ukrainischen Präsidenten, die Nationale Versammlung der Behinderten der Ukraine, der allukrainische Verband der Unternehmen und behinderter Beschäftigte, der ukrainische Blindenverband und der ukrainische Gehörlosenverband.

 

Die Veranstaltung wurde von über 100 Personen aus verschiedenen Regionen besucht. Es

wurden aktuelle Fragen der Entwicklung von unternehmerischen Bestrebungen von

Organisationen diskutiert, die Interessen von Menschen mit Behinderungen vertreten und gleichzeitig die meisten Arbeitsplätze für diese Personen in der Ukraine bereitstellen, sowie ihre Aktivitäten im Rahmen der neuen von der Werchowna Rada Ende des Jahres verabschiedeten Gesetze, die auf die Schaffung wirtschaftlicher Anreize für solche Unternehmen abzielen. Neben Vertretern öffentlicher Einrichtungen waren Valery Sushkevich, Behindertenbeauftragter des ukrainischen Präsidenten, Vitaliy Muzychenko, stellvertretender Minister für Sozialpolitik der Ukraine und Abgeordnete an der Konferenz beteiligt.

Mit großem Interesse wurden die Berichte deutscher Expertinnen und Experten verfolgt, die im zweiten Teil der Konferenz einige der besten europäischen Praktiken vorstellten. Im anschließenden Gespräch wurden zahlreiche Fragen zu verschiedenen Formen der unterstützten Beschäftigung, wie beispielsweise die Verfügbarkeit von Sonderleistungen des Staates für integrative Unternehmen mit über 50% der Beschäftigten mit verschiedenen Behinderungen, beantwortet.

Der zweite Workshop erfolgte am 12. Dezember in der Hauptstadt der Ural-Region, Jekaterinburg, im Rahmen der zweitägigen internationalen Konferenz „Extrability als ein Phänomen der Inklusion-Kultur: Aufbau der Inklusion-Kultur in Organisationen“. Die Konferenz wurde von einem vieljährigen Partner der INTAMT-Akademie, der autonomengemeinnützigen Organisation für sehbehinderte Menschen „Belaja Trost“ („Weißer Gehstock“) gemeinsam mit Uraler Föderaler Universität, dem Ministerium für soziale Politik der Region Swerdlowsk sowie mit dem Institut für Management und Wettbewerbsstrategien organisiert.

Vertreter und Besucher aus 11 Ländern, 29 Städten und 34 Einrichtungen nahmen an der Konferenz teil. Der Workshop mit deutschen Experten fand im Rahmen der von Yuri Nikitin moderierten Podiumsdiskussion „Soziale Projekte im Bereich Inklusion“ statt und stieß beim Publikum auf immenses Interesse. Der Beweis dafür waren zahlreiche Fragen, die sowohl während der Veranstaltung selbst als auch nach dem Abschluss am Rande der Konferenz gestellt wurden.

Die Veranstaltung „Arbeitsvermittlung für Menschen mit Behinderung“, die am 14. Dezember in Jerewan im Konferenzsaal des Hotels „Ramada“ stattfand, stieß auf noch mehr Resonanz. Obwohl sie auf einen Samstag fiel, brachte sie mehr als 60 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus allen Winkeln Armeniens zusammen. Eine besondere Bestätigung des großen Interesses an dem gemeinsam mit der Non-Profit-Organisation „Agata“ organisierten Workshop zur Erforschung der deutschen Erfahrungen Bereich der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen war die Teilnahme hochrangiger Gäste, Arman Udumyan, stellvertretender Minister für Arbeit und Soziales, Amalia Adamyan, Leiterin der regionalen Arbeitsvermittlungsstelle von Oblast Gjumri bei der staatlichen Arbeitsvermittlungsagentur sowie Vertreter öffentlicher und sozialer Einrichtungen. Während der Vorträge und nachfolgender reger Diskussion wurden zahlreiche Fragen eingehend besprochen, u.a. die Ausgleichsabgabe, Grundlagen für Erfolg der unterstützten Beschäftigung, besondere Förderungsansätze für Menschen mit Beeinträchtigungen der Sinnesorgane, technische Ausstattung der Arbeitsplätze und Erwerb der erforderlichen Hilfsmittel sowie Möglichkeiten der finanziellen Förderung für Menschen mit Behinderung usw. Am Ende des Seminars erörterten armenische und deutsche Kollegen die Entwicklungsperspektiven des bilateralen Dialogs sowie die Einbeziehung armenischer Organisationen in die Arbeit von EUSE (Europäische Dachorganisation von Supported Employment) und WASE (World Association for Supported Employment).

In einem ähnlichen Format und unter dem gleichen Titel fand am 16. Dezember in Tiflis, Hauptstadt Georgiens, im Hauptsitz der Nicht-Regierungs Organisation „Anika“ eine Veranstaltung zur Erforschung der deutschen Erfahrungen im Bereich inklusiver Arbeitsvermittlung und Beschäftigung statt. Am runden Tisch nahmen sowohl Kollegen aus verschiedenen Organisationen des sozialen Sektors als auch Vertreter munizipaler Behörden und Verwaltungsorgane teil, u.a. Gigant Sopromadse, Exekutivsekretär des Koordinierungsrats der Stadt Tiflis für Belange von Menschen mit Behinderungen und Mariam Bezarashvili, Leiterin der Abteilung für Beschäftigungsförderung des städtischen Sozialamtes.

Während der Vorträge und des Meinungsaustauschs wurde ein breites Spektrum von Fragen der sozialen und beruflichen Teilhabe angesprochen. Viel Aufmerksamkeit wurde den tatsächlichen Problemen, die der weiteren Entwicklung der Inklusion im Wege stehen, und deren Lösungsansätzen gewidmet, wobei die lokalen Gegebenheiten sowohl in Georgien als auch in Deutschland berücksichtigt wurden. Die georgischen Kollegen stellten verschiedene Projekte vor, die auf eine vollständige Eingliederung ausgerichtet sind, von den schulischen Angeboten – in Form von speziellen Programmen der Berufsorientierung für Schüler/-innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf – bis hin zu erfolgreichen Beispielen für die vollständige Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt, die als positive Beispiele für das erfolgreiche Zusammenwirken von Behörden, sozialen Organisationen und der Privatwirtschaft dienen.

Die Tatsache, dass die Veranstaltung das geplante Zeitformat völlig sprengte, zeigte, dass es noch sehr viele Themen zur fachlichen Diskussion gibt. In diesem Zusammenhang stellten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer fest, dass es notwendig ist, den Erfahrungsaustausch zwischen öffentlichen Organisationen und Fachleuten beider Länder sowie die eingehende systematische Erforschung der Best Practice-Beispiele im Bereich der inklusiven Berufsbildung und Arbeitsvermittlung fortzusetzen, und sprachen sich einstimmig für die Weiterentwicklung der internationalen Zusammenarbeit zwischen Georgien, Deutschland, anderen Ländern der östlichen Partnerschaft der EU und der Europäischen Union aus. Anschließend bedankten sich die Teilnehmer des Workshops bei den Organisatoren für die Gelegenheit, einen weiteren kleinen Schritt in die richtige Richtung machen zu können.

An dieser Stelle möchte INTAMT-Akademie ganz herzlich den Mitarbeitern der Nationalen Versammlung der Behinderten der Ukraine, der Organisation  „Belaja Trost“ (Russland), des Zentrums zum Schutz der Rechte von Frauen mit Behinderungen „Achat“ (Armenien), des Verbandes „Anika“ (Georgien) und persönlich Victoria Nazarenko, Oleg Kolpashchikov, Karina Grigoryan, Gayane Grigoryan, Irina Inasaridze und Kathy Mikeladze für die hervorragende Organisation der Veranstaltungen danken!

 

Workshop Partner:                          

 

           

 

 

 

 

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