22.09.-27.09.2014, Deutschland

Nicht nur der soziale Schutz und das Gesundheitswesen tragen dazu bei, das Wohlbefinden einer Gesellschaft zu wahren, sondern auch die Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen. Der Kinderschutz, die Rechtsregelung in diesem Bereich, neue Systeme des Zusammenspiels zwischen sozialen Diensten und Eltern, die Rolle von Gemeinderäten – diese aktuellen Themen gehörten zu den Schwerpunkten, die Experten aus Russland und Kasachstan mit ihren deutschen Kollegen besprochen haben.

In Deutschland wurden im Laufe der Jahrzehnte viele Erfahrungen gesammelt, was die Arbeit mit Problemfamilien und verwahrlosten und schwer erziehbaren Jugendlichen betrifft, und zahlreiche Veränderungen initiiert; trotzdem gibt es immer noch Handlungsbedarf. Auf der Bundes-, Länder- und kommunalen Ebene in Deutschland wird heftig darüber diskutiert, ob der Staat sich in die Familie einmischen darf, wo die Grenzen der Rechte von Kindern und Jugendlichen liegen und durch wen sie festgesetzt werden sollen. So erklärte Peter Lukasczyk, Abteilungsleiter im Jugendamt der Landeshauptstadt Düsseldorf: „Es ist gut möglich, dass Kinderrechte bald ins Grundgesetz der Bundesrepublik aufgenommen werden, wie es schon in einigen skandinavischen Ländern der Fall ist.“

Svetlana Mironchuk, Jugendamtsleiterin des Bezirks Solnechnogorsk in der Moskauer Region, sagte am Ende des Treffens:

„Ich arbeite seit zwanzig Jahren in diesem Bereich. Durch die Erfahrungen, die ich in Deutschland gesammelt habe, ist mir bewusst geworden, wie wichtig es ist, wenn sich die sozialen Dienste mehr mit dem Thema Familienbildung befassen. Deshalb finde ich neue Informationen und Fachtreffen mit deutschen Kolleginnen und Kollegen besonders interessant und hilfreich.“

Damir Khanzarov, Leiter des Kinderzentrums in der Stadt Naberezhnye Chelny, Republik Tatarstan:
„Ich bin der INTAMT-Akademie sehr dankbar. Aufgrund ihrer Seminare haben wir einen umfassenden Überblick über den Rechtsschutz und die soziale Unterstützung für Kinder und Jugendliche in Deutschland gewonnen, insbesondere über die Einrichtungen des Kinderschutzes in NRW. Diese Kenntnisse können wir jetzt in Russland umsetzen. Russische und deutsche Sozialarbeiter stehen vor der gleichen Herausforderung: Wir müssen Problemkindern und -jugendlichen helfen. Ich halte die Ansätze unserer deutschen Kollegen für sehr hilfreich. Russland hat auch viele nützliche Erfahrungen in dem Bereich gesammelt. Ich bin mir sicher, dass Kontakte zwischen unseren Ländern auch künftig sehr erfolgreich sein können.“

 

Chancengleichheit und gleiche Rechte: Der soziale Bereich befindet sich in vielen Ländern im Wandel. Eine größere Rolle spielen dabei gesellschaftliche Initiativen und neue Mechanismen der staatlichen Regelung. Die internationale Zusammenarbeit von Experten aus verschiedenen Ländern macht es möglich, die Effizienz von entwickelten Maßnahmen zu beurteilen, und trägt zum kollegialen Austausch bei. Von 22. bis 27. September hat die INTAMT-Akademie eine Reihe von Fortbildungsmaßnahmen rund um den Themenkreis „Soziale Sicherheit“ für russische und kasachische Experten durchgeführt. Die Seminarthemen lauteten: „Innovative Technologien und der Aufbau einer barrierefreien Umgebung für Menschen mit Behinderung“, „Inklusive Erziehung und Bildung für Kinder mit Behinderung“, „Ausbildung und Arbeitsvermittlung für Menschen mit Behinderung“, „Rechtsschutz und soziale Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ sowie „Medizinische Rehabilitation in Deutschland“.

Ein Fazit der Fortbildungsmaßnahme war, dass eine weitere Bündelung von Bemühungen zum Erfahrungsaustausch zwischen Russland, Kasachstan und Deutschland erforderlich ist. Zudem wurde festgestellt, dass im Laufe der letzten Jahre vieles unternommen wurde, damit in diesen Ländern Menschen mit Behinderung am Leben teilhaben können. Trotzdem steht noch viel Arbeit bevor. Einen Vorrang hat die Aufgabe, die Mobilität und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung zu gewährleisten. Dazu gehören der Aufbau einer barrierefreien Umgebung in öffentlichen Gebäuden, Technologien und Werkzeuge zur Sicherung des selbstbestimmten Lebens von Menschen mit Behinderung sowie die behindertengerechte Innengestaltung von Wohnräumen.

Im Rahmen der Seminare konnten die Gäste aus Russland und Kasachstan neueste Entwicklungen von deutschen und europäischen Ingenieuren, Designern und Architekten kennenlernen, mehrere Wohnheime für Behinderte besichtigen, eine Rundfahrt durch das „barrierefreie Düsseldorf“ machen und sich über die Organisation von Arbeiten zum Aufbau einer barrierefreien Umgebung auf verschiedenen Ebenen der Bundes- und Landesverwaltung informieren.

Eine moderne Gesellschaft ist ohne Chancengleichheit unvorstellbar. Die Notwendigkeit inklusiver Bildung wird nicht mehr infrage gestellt. Im Vordergrund steht jetzt die Gestaltung von Inklusion in Kindergärten, Schulen und Ausbildungseinrichtungen. Bei russischen Teilnehmern weckte ein Projekt besonderes Interesse, bei dem es um die gemeinsame Arbeit von Eltern und Angehörigen bei der Gestaltung inklusiver Bildung geht. Das Anerziehen von Toleranz gegenüber Menschen mit Behinderung wird als ein wichtiger Schritt zur Demokratisierung der Gesellschaft empfunden.

 

Zu den wichtigsten Faktoren einer erfolgreichen gesellschaftlichen Eingliederung gehören die berufliche Ausbildung und Beschäftigung. Beim Besuch eines Ausbildungszentrums sowie einer Universität konnten Seminarteilnehmer Methoden und praktische Erfahrungen zur Früherkennung der persönlichen und fachlichen Eignung behinderter Auszubildende kennenlernen; besonders betont wird hierbei die individuelle Behandlung jedes einzelnen Falles im Rahmen der Arbeitsvermittlung. Eine wichtige Rolle bei der Arbeitsvermittlung spielt auch die Anpassung des Arbeitsplatzes an die individuellen Bedürfnisse von behinderten Angestellten.

 

Im Mittelpunkt der Seminare stand auch das Thema der medizinischen Rehabilitation. Durch innovative deutsche Technologien im Bereich der Rehabilitation wird nicht nur eine schnelle Genesung der Patienten erreicht, sondern diesen auch geholfen, einen Anschluss an das gesellschaftliche Leben zu finden, was am Beispiel einiger Einrichtungen in NRW gezeigt wurde.
Seminarteilnehmer besuchten zudem die REHACARE International, die größte europäische Messe im Bereich der Dienstleistungen, Produkte und Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung und im Alter.

Über 900 Aussteller aus aller Welt boten einen umfassenden Überblick über Hilfsmittel und Dienstleistungen, die Menschen mit Behinderung, mit Pflegebedarf oder mit chronischen Krankheiten den Alltag erleichtern sollen.

 

Das Seminarprogramm wurde durch kulturelle Veranstaltungen ergänzt. Bei Stadtrundfahrten in Köln und Amsterdam konnten Teilnehmer Sehenswürdigkeiten beider Städte kennenlernen.

Eindrücke von Teilnehmern können Sie hier weiterlesen:

Garashash Nurmadedova, stellvertretende Leiterin der Arbeitsagentur der Region Mangghystau, Republik Kasachstan:

„Wir sind im Bereich der sozialen Versorgung und des sozialen Schutzes von Menschen mit Behinderungen tätig. Mir hat die Organisation von Aktivitäten des täglichen Lebens und der Arbeit junger Menschen mit Behinderung sehr gefallen. Wir haben nicht nur die Möglichkeiten theoretischer Ausbildung gesehen, sondern auch Werkstätten in Betrieben, wo Auszubildende fachliche Fertigkeiten erwerben, was ihre Perspektiven bei der Arbeitssuche erheblich verbessert. Der Aufbau einer barrierefreier Umgebung auf allen Verwaltungsebenen hat mich stark beeindruckt. Die erworbenen Kenntnisse werde ich bestimmt bei meiner Tätigkeit in Kasachstan einsetzen.“

Professor Panteleymon Yegorov, Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums für Inklusive Bildung an der Nordöstlichen Föderalen Ammosov-Universität, Stadt Jakutsk in Russland:
„Wir haben eine inklusive Kita und eine Schule besucht. Dort habe ich mich vergewissert, wie wichtig barrierefreies Bauen für die Inklusion ist. Die Unterrichtsmethoden der Erzieher und Lehrkräfte haben mich stark beeindruckt. Dank der Seminare habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie in NRW das theoretische Konzept inklusiver Bildung in die Praxis umgesetzt wird. Ich bin dagegen, den Begriff >Studierende mit gesundheitsbezogenen Einschränkungen< zu gebrauchen. Es wäre viel zutreffender, solche Studierende als >Schüler oder Studenten mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen< zu bezeichnen. Meiner Meinung nach würde diese Bezeichnung dem Bildungsdrang und den Fähigkeiten solcher Studenten besser entsprechen. Im Auf- und Ausbau internationaler wissenschaftlicher Netzwerke sehen wir große Perspektiven, und wir würden uns freuen, wenn dies weiter vorangetrieben werden könnte. Die Experten verschiedener Länder sollten nicht nur bei Austauschprojekten gefördert werden, sondern auch bei der Durchführung von Vergleichsstudien zu – jeweils nach Nosologie unterschiedenen – Bildungstechnologien für Schüler und Studierende. Während der Fortbildungsmaßnahme ist es mir gelungen, Vorverhandlungen mit Vertretern einiger deutscher Universitäten zu führen, die sich sehr interessiert an einem solchen Austausch gezeigt haben. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Zusammenarbeit ein Erfolg sein wird.“

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